Fallstudie
Von einer traditionellen
Push-Supply-Chain zu einer schlanken,
bedarfsgesteuerten Kaizen-Supply-Chain
Heutzutage müssen Lieferketten agil sein und Betriebsmodelle übernehmen, die auf der Schaffung von Material- und Informationsflüssen basieren, die durch die tatsächliche Kundennachfrage ausgelöst werden. Diese Art Lieferkette ist widerstandsfähiger gegen Störungen und hat niedrigere Betriebskosten. Um eine solche Lieferkette zu berwerkstelligen, muss jegliche Verschwendung beseitigt, Bestände optimiert, Lieferanten näher zusammengebracht und relevanten Leistungsindikatoren kontinuierlich verbessert werden. Nur eine derartige Umstellung ermöglicht es, die Durchlaufzeiten zu verkürzen und bahnbrechende Verbesserungen in Bezug auf Qualität, Kosten und Lieferung zu erzielen.
Unternehmen
Das Unternehmen, das diese Umstellung erfolgreich gemeistert hat, ist Teil eines großen internationalen Konzerns und stellt Wasserheizgeräte und Heizkessel für den Haushaltsgerätemarkt her. Seit Gründung ist das Unternehmen durch die kontinuierliche Verbesserung der Produkt- und Prozessqualität stark gewachsen. Whrend dieses Verbesserungsprozesses kam es zu wichtigen strukturellen Veränderungen im Betrieb. Heute ist das Unternehmen ein Produktentwicklungszentrum des Konzerns und nimmt eine dominante Position auf dem europäischen Markt ein.
Herausforderung
Im Rahmen einer Strategie zur Qualitätsverbesserung probierte das Unternehmen verschiedenen Lean-Tools wie bspw. Single-Minute Exchange of Die (SMED), einem Zwei-Behälter-System (Full-Box/Empty-Box KANBAN) oder einem Terminierungs- und Synchronisierungssystem. So sollten kontinuierlich Fehlern beseitigt werden – allerdings kam dieser Ansatz nach Ausnutzung der „niedrig hängenden Früchte“ zum Stillstand.
Zusätzlich zu den Qualitätsproblemen hatte das Unternehmen kontinuierlich eine zu hohe Bestandsreichweite (50 Tage) und trotzdem ein niedriges Serviceniveau (9 % der Lieferungen wurden nicht termingerecht bzw. inhaltlich korrekt ausgeführt). Im Ergebnis hat dies zu Ineffizienz und Umsatzeinbußen geführt. Dies lag daran, dass das Unternehmen zu viele nicht benötigte Produkte auf Lager hatte und nur wenig von dem, was tatsächlich sofort benötigt wurde. Die Tatsache, dass die Produktionsplanung auf Auftragsprognosen basierte, trug zu diesem Problem bei, da Prognosen immer ein gewisses Maß an Ungenauigkeit beinhalten.
Es wurde daher für das Unternehmen zunehmend herausfordernder, weitere Verbesserungen zu erzielen, da die KPIs nicht die erwünschten Ergebnisse anzeigten. Die größte Herausforderung bestand daher darin, eine neue Verbesserungsstrategie mit dezidierten Initiativen zu entwickeln und umzusetzen, um ein echtes E2E, nachfragegetriebendes agiles System zu implementieren.
Ansatz
Das Unternehmen entschied sich für einen Systemwechsel, um diese Herausforderung zu bewältigen. Das Push-System wurde durch ein Pull-Flow-System auf der Grundlage des E2E Flow Management ersetzt. Ein Team aus Mitarbeitern verschiedener Abteilungen und externer Berater wurde gebildet, um das Verbesserungsprojekt zu bearbeiten. Sie begannen mit einer Analyse der aktuellen Prozesse und Abläufe, um die Grundursachen der Probleme zu identifizieren. Dies ermöglichte dem Team, potenzielle Verbesserungen zu ermitteln und Lösungen zu entwerfen.
Analyse der Grundursachen
Eines der Hauptprobleme in der Produktion war die Genauigkeit des Montageplans – nur 50 % – was zeigte, dass das zuvor eingeführte Synchronisationssystem nicht gut funktionierte. Es kam zu zahlreichen Bandstillständen und Planänderungen. Darüberhinaus waren die Bediener in der Montagelinie voneinander isoliert, die Arbeitsabläufe waren nicht standardisiert, und die Steuerung der Linienauslastung war nicht gut koordiniert. All dies wirkte sich sowohl auf die Effizienz der Fertigungslinie als auch auf den Kundenservice negativ aus.
Weiterhin basierte das Auftragsplanungssystem auf Bedarfsprognosen, die die Produktion fehl leiteten, was zu einem sehr hohen Bestand an Fertigerzeugnissen – 15 Tage – sowie an Teilen und Rohmaterialien führte.
Der Lösungsansatz des Projekts sah eine Reihe von Initiativen vor, die darauf abzielten, alle diese Faktoren zu lösen und vor allem die Gesamtproduktivität zu steigern.
Ein weiteres Problem, das identifiziert wurde, war die Einstellung der Mitarbeiter zu den Kaizen-Praktiken. Die Führungskräfte gingen davon aus, dass das Unternehmen bereits alle relevanten Kaizen-Instrumente einsetzte, was in den einzelnen Betrieben nicht der Fall war. Das Management maß den Praktiken der kontinuierlichen Verbesserung nicht die gebührende Bedeutung bei und räumte der täglichen Feinabstimmung, der Hilfskette und dem Krisenmanagement Vorrang ein. Diese eingeschränkte Denkweise des hochrangigen Teams behinderte das Erreichen der gewünschten Ergebnisse.
Ausarbeitung der Lösungen
Der gesamte Produktionsfluss wurde in ein praktisches Pull-Flow-System mit stabiler täglicher Produktionsplanung und Beseitigung aller offensichtlichen Muda-Typen umgestellt.
Der erste Schritt bestand darin, das Projektteam zu schulen, damit es das Konzept hinter dem Pull-Modell versteht und die Bedeutung dieser Verbesserung erkennt. Danach war das Team in der Lage, den aktuellen Zustand mit Hilfe einer Wertstromanalyse zu analysieren, die Vision für den zukünftigen Zustand zu definieren und einen Projektplan zu erstellen.
In das neue Liniendesign wurden mehr Linien integriert, und der Platz im Werk wurde optimiert. Darüber hinaus wurden durch die Schaffung eines sauberen Durchflusses und die konsequente Beseitigung von muda die Zyklus- und Umrüstzeiten verringert. Die Vielfalt der Produktvarianten wurde reduziert, und kleine Behälter wurden in Reichweite und an festen Stellen platziert. Ergänzt wurde dies durch die Einführung von Standardarbeiten an den Arbeitsplätzen.
Bezüglich der Pull-Planung und der Produktionsnivellierung von Fertigerzeugnissen bestanden die wichtigsten Verbesserungen darin, Prognosen nur noch für die monatliche Kapazitätsplanung (S&OP), nicht aber für die Auftragsplanung (S&OE) zu verwenden. Zu diesem Zweck wurde ein täglicher Pull-Planungsalgorithmus angewandt, um den Wiederauffüllungsgrad mit dem aktuellen Bestand an Fertigerzeugnissen zu vergleichen, so dass, wenn der tatsächliche Bestand unter dem Wiederauffüllungsgrad lag, ein Wiederauffüllungsauftrag generiert wurde. Die Produktionsaufträge wurden auf KANBAN-Karten aufgelistet, die der Produktion auf einer Logistikbox zugeordnet wurden. Mit diesem neuen System waren die Quelle der Planungsdaten nicht mehr Prognosen, sondern echte Abrufaufträge, was eine stabile Produktion sicherstellte.
Außerdem wurden Mizusumashi-Pendellinien und KANBAN-Teile eingeführt. Die Idee hinter Mizusumashi war es, ständig Wagen mit den Informationen über die benötigten Teile für den kommenden Produktionszyklus zu kommissionieren. Die KANBAN-Teile umfassen den Prozess des Ersetzens leerer Teilebehälter durch volle Behälter.
Ergebnisse
Durch den Paradigmenwechsel in der Lieferkette konnte das Unternehmen bei den wichtigsten Verbesserungszielen erhebliche Fortschritte erzielen: Die Gesamtreichweite der Bestände wurde um 20 Tage reduziert, der Kundenservice um 5,5 % verbessert und die Einhaltung des Produktionsplans für die Montagelinie um 42 % erhöht. Die Effizienz des Fließbands wurde um 26 % gesteigert, ebenso wie die Gesamtproduktivität der Mitarbeiter.
Angesichts dieser hervorragenden Ergebnisse wurde deutlich, dass das Pull-Flow-System für die Lieferkette der richtige Weg war. Das Unternehmen blickte entsprechend zuversichtlich in die Zukunft, da es sich sicher war, dass mit der Unterstützung aller Mitarbeiter jedes Jahr ein besseres Jahr in Bezug auf die Effizienzergebnisse werden könnte, wenn die richtigen Verbesserungsmaßnahmen fortgesetzt würden.
Referenzen
Dieses Anwendungsbeispiel ist eine Zusammenfassung des vollständigen Falles, der in dem Buch ‘KAIZEN™ in Logistics and Supply Chains’ von Euclides A. Coimbra in den folgenden Kapiteln abgedruckt ist:
- Kapitel 2: Die Geschichte von Unternehmen A: Ohne KAIZEN™ kein Pull-Flow!
- Kapitel 17: Das Kaizen-Pull-Flow-Leben von Unternehmen A
Weitere Details und Erklärungen erhalten Sie durch das Lesen der Kapitel oder durch Kontaktaufnahme mit dem Euclides A. Coimbra.