Die meisten Unternehmen betrachten Strategie als eine Übung, die in einem Besprechungsraum stattfindet – begleitet von PowerPoint-Präsentationen, Finanzprognosen und Vision-Statements. Ist die Strategie einmal definiert, wird erwartet, dass sie „implementiert“ wird – als wäre ihre bloße Kommunikation ausreichend, um sie Wirklichkeit werden zu lassen. Dieses Modell, das tief im traditionellen Management verankert ist, weist jedoch ein zentrales Problem auf: Es schafft eine Lücke zwischen Planung und Umsetzung – zwischen denen, die die Richtung vorgeben, und denen, die sie ausführen.
In diesem Artikel beleuchten wir das sechste Paradox einer Kaizen-Kultur: „Kaizen ist eine Meta-Strategie.“ Das bedeutet: Strategie wird zu einer täglichen Praxis – sichtbar in Verhaltensweisen, Routinen sowie in der Art und Weise, wie Führungskräfte und Teams täglich arbeiten.
Wir zeigen auf, wie dieser Denkansatz die Rolle von Leadership verändert, Strategie näher an das operative Geschehen rückt und ein System schafft, in dem strategische Ziele nicht in Folien verblassen, sondern durch tägliche Continuous Improvement-Praktiken zum Leben erweckt werden.
Was ist ein Paradox?
Ein Paradox ist ein Gedanke, der auf den ersten Blick widersprüchlich oder kontraintuitiv erscheint, bei näherer Betrachtung jedoch eine grundlegende Wahrheit offenbart. Im Management-Kontext fordern Paradoxien etablierte Überzeugungen heraus und schaffen Raum für neue Denk- und Handlungsweisen.
In der Welt der kontinuierlichen Verbesserung sind Paradoxien besonders wirkungsvoll. Sie zeigen, dass die Veränderung unserer Denkweise oft der erste Schritt ist, um die Art und Weise, wie wir arbeiten, zu transformieren.
Das sechste Paradox einer Kaizen-Kultur
Die Kaizen-Kultur stellt sieben Paradoxien vor, die traditionelle Managementüberzeugungen hinterfragen und einen neuen Weg aufzeigen, wie Unternehmen geführt und verbessert werden können. Diese Paradoxien sind keine theoretischen Konstrukte – sie basieren auf echten Lessons Learned von Unternehmen, die strukturiertes Continuous Improvement praktizieren und dabei nachhaltige Ergebnisse erzielen.
Die 7 Paradoxien einer Kaizen-Kultur:
- Praxis vor Tools
- Kleine Schritte sind nicht der einzige Kaizen-Weg
- Effizienz beginnt mit Prozessfluss
- Standardisieren, um zu verbessern
- Kaizen geht über den Betrieb hinaus
- Kaizen ist eine Meta-Strategie;
- Kaizen ist ein intelligenter und zukunftsfähiger Führungsansatz
In diesem Artikel konzentrieren wir uns auf die sechste Paradoxie: „Kaizen ist eine Meta-Strategie“.
Eine Kultur verändert sich nur, wenn sich die Praxis ändert. Sind Sie daran interessiert, wie Sie diesen Schritt umsetzen können?
Der traditionelle Glaube: Kaizen und Strategie gehören in getrennte Welten
Über Jahrzehnte hinweg haben sich strategisches Management und kontinuierliche Verbesserung als parallele Disziplinen entwickelt – selten überschneidend. Der vorherrschende Glaube ist eindeutig: Strategie gehört an die Spitze des Unternehmens; Kaizen gehört in die Fertigung. Das eine gilt als intellektuell, das andere als operativ. Das eine lebt in Präsentationen, das andere auf visuellen Team-Boards. So hat sich eine gefährliche Trennung etabliert.
Strategie wird der Führungsebene zugeordnet, Kaizen dem operativen Bereich
Fragt man ein Unternehmen: „Wer ist für die Strategie verantwortlich?“, lautet die typische Antwort: die Geschäftsleitung. Fragt man anschließend: „Wer ist für Kaizen verantwortlich?“, wandert die Antwort meist nach unten – zu Lean-Expert*innen oder Produktionsverantwortlichen. Dieses Muster offenbart eine mentale Hierarchie: Strategie wird von denen geplant, die denken; Kaizen wird von denen ausgeführt, die handeln.
In diesem Modell gilt kontinuierliche Verbesserung als Unterstützung für die Umsetzung – wichtig, aber nicht strategisch.
Die Lücke zwischen Planung und Umsetzung
In der Praxis führt dieses Modell zu einer der größten Herausforderungen in Unternehmen: einer Lücke zwischen Planung und Realität. Strategien werden häufig auf höchster Ebene – fern vom Geschehen vor Ort – entwickelt und anschließend „nach unten“ weitergegeben, in der Hoffnung, dass sie verstanden und umgesetzt werden.
Mitarbeitende erhalten Ziele, sind jedoch nicht in die Ausgestaltung der Wege dorthin eingebunden. Sie sollen „implementieren“, fühlen sich aber nicht verantwortlich. Ohne eine Struktur, die tägliche Aktivitäten mit strategischen Zielen verknüpft, gehen Prioritäten verloren, Kennzahlen verfehlen ihre Zielwerte, und die Ausrichtung verschwindet.
Ohne tägliche Routinen, die Visionen in konkretes Verhalten übersetzen, verkommen Strategien zu Absichtserklärungen – statt zu Instrumenten echter Transformation.
Kultur ist kein Bestandteil von Strategie
Ein weiterer limitierender Glaube: Kultur ist etwas Immaterielles, das die Strategie „unterstützt“, aber nicht wirklich Teil davon ist. In dieser Sichtweise lebt die Strategie in Excel-Dateien, Dashboards und Aktionsplänen. Und die Kultur? Sie hängt als Leitbild an der Wand oder steht auf hübsch gestalteten Wertepyramiden.
Dieses Modell verkennt eine zentrale Tatsache: Die Kultur entscheidet darüber, ob eine Strategie zum Leben erweckt wird – oder ungesehen in der Schublade verschwindet.
Der neue Glaube: Kaizen umfasst die Unternehmensstrategie
Diese neue Perspektive stellt das traditionelle Denken infrage: Kaizen ist nicht nur ein operatives Verbesserungsinstrument – es ist eine strategische Disziplin. Wird Kaizen konsequent praktiziert, entsteht ein System, das nicht nur Strategie umsetzt, sondern sie tagtäglich mitgestaltet und weiterentwickelt.
Kaizen als Strategie
In den meisten Unternehmen wird Strategie als Ereignis behandelt – als jährliche Übung rund um Prognosen, Zielvorgaben und Präsentationen. In einer Kaizen-Kultur hingegen ist Strategie eine kontinuierliche Praxis. Sie beginnt bei realen Problemen, bei der Stimme des Kunden und bei relevanten Herausforderungen – und wird täglich von Teams adressiert, die lernen, ihre Handlungen an strategischen Zielen auszurichten.
Strategie ist nicht länger ein Instrument der Führungsebene – sie wird zu einer lebendigen Disziplin, sichtbar und gelebter Bestandteil aller Ebenen im Unternehmen. In diesem Modell sterben strategische Pläne nicht in PowerPoint-Folien – sie werden übersetzt in tägliches Verhalten, fundierte Entscheidungen und kontinuierliche Verbesserungen.
Sichtbare und engagierte Führung
Eine lebendige Strategie erfordert Präsenz. Führungskräfte führen nicht aus der Distanz über Berichte – sie sind vor Ort, stellen Fragen, hören zu, fordern heraus und unterstützen. Sie fördern Kaizen-Events, beseitigen Hindernisse und stellen sicher, dass die Umsetzung mit der strategischen Ausrichtung übereinstimmt.
Mehr als Visionär*innensind sie Ermöglicher*innen von Transformation. Sie schaffen die Voraussetzungen, damit Strategie jeden Tag von allen praktiziert werden kann.
Strategie als partizipativer Prozess
Anstatt von wenigen entworfen und von vielen umgesetzt zu werden, entsteht Strategie im Dialog. Mit Methoden wie Hoshin Kanri und Catchball werden strategische Ziele diskutiert, heruntergebrochen und über alle Ebenen hinweg verankert.
Jedes Team versteht seine Rolle, und jede Person weiß, wie ihre tägliche Arbeit zur Erreichung der Unternehmensziele beiträgt. Das schafft Ausrichtung, Fokus und ein echtes Gefühl von Verantwortung.
Häufiges Feedback und schnelles Handeln
Im Gegensatz zu traditionellen jährlichen Strategiezyklen arbeitet dieses Modell mit kurzen Takten und kontinuierlichen Feedback-Schleifen. Initiativen werden regelmäßig überprüft, auftretende Probleme rechtzeitig erkannt und Abweichungen schnell korrigiert.
Strategie ist nicht mehr statisch und unveränderlich – sie wird durch reale Bedingungen am Gemba – dort, wo Arbeit geschieht und Wert entsteht – gestützt und angepasst.
Kultur als System, nicht als Absicht
In einer Kaizen-Kultur ist Kultur kein Set an Absichtserklärungen oder Wandparolen. Sie ist ein greifbares, diszipliniertes System, das Strategie sichtbar, umsetzbar und nachhaltig im Tagesgeschäft verankert.
Dieses System basiert auf einem robusten Modell mit zentralen Elementen:
- Hoshin Kanri, um strategische Prioritäten mit Klarheit und Ausrichtung zu planen und umzusetzen.
- Leader Standard Work, um aktives Führungsverhalten in der Strategieumsetzung sicherzustellen.
- Kaizen-Events, um strategische Schwerpunkte fokussiert, zügig und mit messbarem Effekt voranzutreiben.
- Daily Management Systems, um die Umsetzung zu überwachen und die Verbindung zwischen Planung und Aktion zu schließen.
- Skill Development und strukturierter Best Practice Sharing,um Führungskräfte und Teams zur kontinuierlichen Verbesserung zu befähigen.
Das ist es, was Kaizen zu einer Meta-Strategie macht. Kaizen wird nicht erst nach der Strategie aktiviert – es ist der Mechanismus, durch den Strategie entsteht, umgesetzt, angepasst und gelebt wird.
Dieses neue Modell funktioniert aus einem einfachen, aber kraftvollen Grund: Es macht Strategie zur Praxis. Es verlässt sich nicht auf die Annahme, dass Umsetzung „schon passieren wird“, sondern strukturiert die Verhaltensweisen und Routinen, die Umsetzung unausweichlich machen. Und es behandelt Kultur nicht als etwas Abstraktes – sondern baut konkrete Systeme täglicher Disziplin auf.
Im Kaizen-Modell ist Strategie etwas, das man so lange praktiziert, bis man es beherrscht. Es geht nicht darum, bessere Ideen zu haben – sondern darum, intelligentere Systeme zu bauen. Deshalb funktioniert die Kaizen-Kultur. Weil sie Kultur nicht von Strategie trennt, sondern die Kaizen-Kultur zum eigentlichen Prozess der Strategieentwicklung und -umsetzung macht.
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Fazit: Kaizen unterstützt nicht die Strategie – Kaizen ist die Strategie
Die wahre Stärke einer Kaizen-Kultur geht über Prozessverbesserung hinaus – sie liegt in der Fähigkeit, Strategie in ein lebendiges System zu verwandeln, das von allen praktiziert wird. Anstatt strategisches Denken und operatives Handeln voneinander zu trennen, vereint Kaizen beides in einem kontinuierlichen Fluss aus Lernen, Experimentieren und Wertschöpfung.
Durch die sechste Paradoxie haben wir erkannt: Strategie muss nicht als etwas betrachtet werden, das außerhalb der täglichen Arbeit von Teams „umgesetzt“ wird. Im Gegenteil – basiert sie auf Praktiken wie Hoshin Kanri, Kaizen-Events und Daily Management, hört Strategie auf, bloße Absicht zu sein – sie wird zu einem gemeinsamen Verhalten. Wenn Strategie etwas wird, das im Alltag praktiziert wird, bewegt sich das gesamte Unternehmen gemeinsam – mit Fokus, Tempo und klarer Ausrichtung.
Artikel basierend auf dem Buch „The Kaizen Culture Paradox – The Smartest Way to Run a Business“ von Alberto Bastos und Euclides Coimbra (erscheint in Kürze)
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